Banner am Broken Chair gegen die Rückkehr von Minen
Nachdem Finnland, Estland, Lettland, Litauen und Polen ihren Ausstieg aus dem Vertrag über das Verbot von Antipersonenminen angekündigt haben, kommen die Vertragsstaaten vom 17. bis 20. Juni in Genf erstmals wieder zusammen. Handicap International und die Internationale Kampagne für das Verbot von Antipersonenminen fordern die Staaten dazu auf, sich entschieden gegen den Austritt der fünf Länder zu stellen.

Mit Unterstützung von Handicap International wurde am 2. Juni, wenige Tage vor Konferenzbeginn, ein grossformatiges Banner der Internationalen Kampagne für das Verbot von Antipersonenminen (ICBL) am Broken Chair vor den Vereinten Nationen angebracht. | © V.Vanniasingam / HI
Im Februar und März dieses Jahres kündigten fünf Länder – Finnland, Estland, Lettland, Litauen und Polen – ihren Austritt aus dem Minenverbotsvertrag an. Damit signalisierten sie ihre Bereitschaft, diese barbarische Waffe gegen eine mögliche russische Offensive einzusetzen.
«Sollten diese Austritte tatsächlich erfolgen, wären sie ein Novum in der Geschichte der Ottawa-Konvention. Das Verbot von Minen, durch die zu 85 % Zivilpersonen getötet oder verletzt werden, wurde 1997 mit der Verabschiedung der Ottawa-Konvention hart erkämpft. Heute erkennen 165 Staaten weltweit diesen Vertrag an, und das Verbot von Antipersonenminen ist zu einer universellen Norm geworden. Der angekündigte Austritt dieser fünf Länder bedeutet einen beispiellosen Rückschritt für den Vertrag und gefährdet den Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten erheblich», erklärt Daniel Suda-Lang, Geschäftsleiter von Handicap International Schweiz.
Entscheidende Konferenz zur Verteidigung des Vertrags
Vom 17. bis 20. Juni findet in Genf die Konferenz der Vertragsstaaten der Ottawa-Konvention statt. Ziel ist es, die Fortschritte der Vertragsstaaten bei der Umsetzung des Vertrags zu überwachen – insbesondere bei der Entminung von Gebieten, der Unterstützung von Opfern und der Vernichtung von Antipersonenminen-Beständen.
«In diesem geopolitisch äusserst angespannten Umfeld stellen wir nicht infrage, dass sich einige europäische Staaten konkret auf einen möglichen Konflikt vorbereiten müssen. Die Wahl der Verteidigungsmittel muss jedoch mit dem humanitären Völkerrecht vereinbar sein. Antipersonenminen haben einen begrenzten militärischen Nutzen, ihre Folgen für die Zivilbevölkerung sind jedoch stets verheerend und lang anhaltend. Der Austritt dieser fünf Länder betrifft alle anderen Vertragsstaaten. Diese müssen reagieren und alles daransetzen, den Vertrag zu verteidigen, das humanitäre Völkerrecht zu wahren und eine Rückkehr von Antipersonenminen zu verhindern», führt Daniel Suda-Lang fort.
Breit angelegte Mobilisierung
Mit Unterstützung von Handicap International wurde am 2. Juni, wenige Tage vor Konferenzbeginn, ein grossformatiges Banner der Internationalen Kampagne für das Verbot von Antipersonenminen (ICBL) am Broken Chair vor den Vereinten Nationen angebracht.
Das Banner zeigt einen Fuss, der auf eine Antipersonenmine tritt, und erinnert daran, dass diese Waffen unterschiedslos Zivilpersonen wie Soldaten treffen. Es ruft die fünf betroffenen Länder dazu auf, sich weiterhin zur Ottawa-Konvention zu bekennen. Auf dem Banner steht:
Minen suchen sich ihre Opfer nicht aus.
85 % der Opfer von Minen sind Zivilpersonen.
Estland, Finnland, Lettland, Litauen:
Haltet am Minenverbotsvertrag fest.
Handicap International und ICBL fordern die Staaten auf:
- ihr Engagement gegen Antipersonenminen zu bekräftigen,
- die Ottawa-Konvention mit aller Kraft zu verteidigen und
- Estland, Finnland, Lettland und Litauen zum Verbleib in der Ottawa-Konvention zu bewegen.
Die Stärke der Ottawa-Konvention
Seit ihrer Umsetzung vor über 25 Jahren hat die Ottawa-Konvention eine beeindruckende Wirksamkeit bei der Eindämmung von Antipersonenminen und dem Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten bewiesen. So konnte die Zahl der Minenopfer von rund 25’000 pro Jahr 1999 auf weniger als 5000 im Jahr 2023 gesenkt werden. Auch die Anzahl der minenverseuchten Staaten und Regionen ging deutlich zurück – von 99 im Jahr 1999 auf 58 im Jahr 2024.
Antipersonenminen heute weltweit.
Im Jahr 2023 wurden 5757 Menschen durch Antipersonenminen oder explosive Kriegsmunitionsrückstände getötet oder verletzt – ein Anstieg um 22 % gegenüber 2022 mit 4709 Opfern. 84 % der registrierten Opfer waren Zivilpersonen.
2023 gab es in 55 Staaten und Regionen Opfer durch Antipersonenminen und explosive Überreste. Die zehn Länder mit den meisten Opfern waren Myanmar (1003), Syrien (933), Afghanistan (651), die Ukraine (580) und der Jemen (499).
Zwischen Mitte 2023 und Oktober 2024 setzten Iran, Myanmar, Nordkorea und Russland Antipersonenminen ein. Russland verwendete sie in der Ukraine in grossem Umfang. Glaubwürdige Informationen deuten darauf hin, dass auch die Ukraine als Vertragspartei der Ottawa-Konvention 2022 in Isjum und Umgebung Antipersonenminen einsetzte.
Auch nicht staatliche bewaffnete Gruppen in mindestens fünf Staaten – Indien, Myanmar, Kolumbien, Pakistan und Palästina (Gaza) – verwendeten Antipersonenminen.
Die Skulptur Broken Chair symbolisiert den Kampf von Handicap International gegen Explosivwaffen und die Gewalt, der die Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten ausgesetzt ist. Die Organisation konzipierte sie und Daniel Berset schuf sie, um Staaten vom Verbot von Antipersonenminen (1997) und später Streumunition (2008) zu überzeugen. Sie verkörpert den verzweifelten Schrei der kriegsgeschundenen Zivilbevölkerung und erinnert an die Verpflichtung der Staaten, diese zu schützen und zu unterstützen. Sie ruft dazu auf, das Inakzeptable abzulehnen und zu handeln, damit die Rechte von Personen und Gemeinschaften auf gerechte Wiedergutmachung gewahrt werden.
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Nadia Ben Said
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